Mit einem kleinen Lied wird die Arbeit nicht stupid

An diesem Tag waren sie zu viert. Es waren nicht nur Zach Urity und Bjarne Buchholz, sondern auch noch Max Krause und ein weiterer Mitarbeiter dabei, den Krause nur als “Wolfgang” vorgestellt hatte. Wolfgang war neu, erfahren und mit der Lagerverwaltung vertraut. Und das war wichtig, damit nicht alles durcheinander geriet. Krause hingegen war der Abteilungsleiter der Logistik der Basis, deren Name offenbar noch nicht feststand. Zach und Bjarne hatten, so wie geplant, mal nachgefragt, aber auch Krause konnte ihnen keine Antwort geben.

“Hm, ich weiß nicht”, hatte er gesagt. “Wir reden in den Besprechungen immer nur von ‘der Basis’ und vom ‘Mühlenhof’. Ich glaube nicht, dass ein neuer Name schon festgesetzt ist.”
“Jou”, hatte Wolfgang bestätigt.

Dann hatte Krause die drei ihrer Arbeit überlassen. Die Bestand heute darin, die abgebauten Teile der alten Betten einzulagern.
“Was tun wir denn damit?”, fragte Bjarne.
“Soweit ich weiß”, antwortete Wolfgang, “werden wir sie erstmal lagern. Und wenn der ganze Umbau der Basis und so vorbei ist, werden wir sie verkaufen, damit das Lager nicht so voll ist.”
“Wie kam man eigentlich darauf, neue Betten anzuschaffen?”, hakte nun Zach nach.
“Och, es waren ja nicht nur die Betten”, kam es zurück, “Ausrüstung, Einsatzkleidung, Schuhe, you name it. Das passiert halt, wenn man einen Profi ans Werk lässt.”
“Wie meinst Du das?”
“Der neue Chief Admiral von ASTROCOHORS SOLAR, dieser McCloud ist einsatzerfahren. Und er weiß, mit was wir bisher gearbeitet haben.”
Bjarne sah verwirrt aus. “Nochmal – wie meinst Du das?”
“Hat es Euch nicht gewundert, dass die Einsatzstiefel so schnell kaputt gegangen sind? Oder die Hosen und Uniformoberteile sehr schnell Löcher gekriegt haben? Oder die Einsatzjacken? So passiert es halt, wenn man kalkuliert wie die Flotte früher – billigstes Angebot wird angeschafft. Und ständig muss erneuert werden. Doch damit ist jetzt Schluss.”
“Ah, jetzt verstehe ich.”
“Gut. Damit zur Arbeit. Wir haben uns schon zu lange aufgehalten.”

Der Mühlenhof bei Seeweiler im Schwarzwald.

Wolfgang zeigte den beiden den zweiten Dachboden vom Hauptgebäude, den man über eine breite Treppe betreten konnte. Genug Platz, um Material hochzuschleppen. Oben angekommen ging es um die Ecke, dann den Gang entlang, bis sie vor einer Tür standen, neben der die Nummer “15” an der Wand stand. Wolfgang holte einen Schlüssel raus und schloss auf. In dem Raum dahinter waren schon Kisten eingelagert.
“Die Einzelteile der Betten kommen hier nach vorne”, sagte er dann, “damit wir nicht so weit schleppen müssen, wenn sie verkauft sind und abgeholt werden.”
“Dann lass uns anfangen”, meinte Zach und ergänzte an Bjarne gewandt: “Sollen wir es nochmal mit dem Liederraten probieren?”
“Von mir aus. Ich glaub aber nicht, dass wir sehr viel besser werden.”
“Liederraten?”, wollte Wolfgang wissen. “Wovon redet Ihr?”
“Beim letzten Mal”, erklärte Zach, “haben wir uns von Cosilexa eine Liste von Liedern zusammenstellen lassen, aus der Musikauswahl der Jungs vom Quadrivium Club. Wir haben versucht zu raten, von wem welches Lied kommt. Aber es war etwas deprimierend.”
“Dann lasst uns das doch machen”, munterte Wolfgang ihn auf. “Du weißt doch, was man sagt: Mit einem kleinen Lied wird die Arbeit nicht stupid.”
“Roll credits”, murmelte Bjarne.
“Was?”
“Das ist so ein Spruch”, führte Bjarne aus. “Du hast gerade was gesagt, das der Titel für… einen Film oder die Episode einer Serie sein könnte. Und in irgendso einer blöden Parodieshow heißt es immer, wenn der Titel genannt wird: ‘Roll credits’, also quasi ‘fahrt den Abspann ab’. Soll ein Metawitz sein.”
“Ist aber nicht metawitzig.”
“Stimmt wohl”, bestätigte Zach und sprach in den Raum: “Cosilexa, Musikliste von letzter Woche aufrufen und weiter abspielen!”
“Alles klar”, gab die Computerstimme zurück. Augenblicklich war ein beschwingtes Musikstück zu hören.
“Oh”, sagte Bjarne, als die drei die Treppe wieder heruntergingen, “das klingt ja mal ganz anders als die anderen Lieder.”
“Ja”, bestätigte Zach, “aber hör mal auf den Text.”

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Wer mit Zach, Bjarne und Wolfgang mithören will, rufe auf der Liste ab Lied Nr. 7 auf und lese weiter.

The city streets are empty now
(The lights don't shine no more)
And so the songs are way down low1

“Oh nein”, gab Bjarne zurück, “der Text… es klingt ja sehr gut, aber der Text ist wieder so depressiv.”
“Ist er”, meinte Zach, “aber vielleicht wird es ja dann endlich besser.”
Die drei gingen auf den Hof und nahmen Einzelteile der alten Betten auf, die sie dann die Treppen nach oben hochtrugen. Leider gab es keine futuristische Technologie, die ihnen helfen konnte. ASTROCOHORS SOLAR hatte, was das betraf, nur beschränkte Möglichkeiten. Hier war also Muskelarbeit gefragt. Als die drei zum ersten Mal Teile im Lagerraum 15 abluden, war das nächste Lied dran, das von drei Frauen gesungen und von wenig Musikinstrumenten gespielt wurde. Es klang sehr klassisch:

“Hi!” said the blackbird sitting on a chair.
“Once I courted a lady fair;
She proved fickle and turned her back,
And ever since then I’ve dressed in black.”2

“Okay”, versuchte Bjarne seinen Eindruck wiederzugeben, “klingt schön, ist vom Text her aber auch nicht besser.”
“Das mag damit zusammenhängen”, entgegnete Zach, “dass ein Großteil der Lieder, die etwas bekannter sind, von Liebe handeln. Entweder der glücklichen oder der erfolglosen Liebe. Oder wie bei diesem Lied, bei dem es einfach ums ‘den Hof machen’ geht.”
“Vögel und Bienen”, grinste Wolfgang, “wie früher.”

”Hi!” said the little leather-winged bat.
“I will tell you the reason that,
Reason that I fly in the night;
Because I’ve lost my heart’s delight.”2

Klassisch begleitet wurden die nächsten Teile die Treppe hochgetragen. Dann begann ein neues Lied, das sehr nach den 1970er Jahren klang, aber die Sprache war wiederum sehr merkwürdig:

Prisencolinensinainciusol
In de col men seivuan
Prisencolinensinainciusol ol rait3

“Wa-wa-wa… Moment, was?”, stotterte Zach. “Was ist das für eine Sprache?”

Uis de seim cius nau op de seim
Ol uait men in de colobos dai
Trrr ciak is e maind beghin de col
Bebi stei ye push yo oh3

“Hm”, überlegte Bjarne, “klingt verdächtig nach der Sprache der Usovai’i. Vielleicht ein altes Usovai’i-Volkslied?”
“Mit der Mundharmonika gespielt?”, gab Zach zurück. “Das erscheint mir doch sehr unwahrscheinlich.”
“Vielleicht ist es ein terranisches Cover?”, warf Wolfang ein.
“Egal was es ist”, sagte nun wieder Bjarne, “es ist eine Abwechslung mit dem ganzen trübsinnigen Zeug.”
Einen Erfolg hatte die Musik auf jeden Fall: Die Arbeit ging gut voran. Und das nächste Lied klang schon wieder etwas vertrauter:

It was me on that road
But you couldn't see me
Too many lights out, but nowhere near here
It was me on that road
Still you couldn't see me
And then flash lights and explosions4

“Uuund schon sind wir wieder in der depressiven Abteilung”, stellte Bjarne fest.
“Ihr solltet mit den Typen mal reden”, meinte Wolfgang. “Vielleicht haben sie ja tiefere Probleme.”
“Die Gruppe, die das singt, kommt aus Norwegen”, erklärte Zach, “die Skandinavier sind für launische Musikstücke bekannt.”
Während sie weiter dem Text lauschten, wanderten immer mehr Einzelteile ins Lager. Dann begann ein neues Lied, eindeutig ein Produkt der 1980er Jahre und es war die Stimme von Elton John zu hören:

We follow the dog who follows the cat
We swallow the chain if they don't fight back
We come and go, just getting by
We got a flag on the moon, we got a hole in the sky5

Love is a cannibal, ich fasse es nicht”, seufzte Zach. “Die Jungs haben echt ein Problem.”
“Das Lied kenne ich gar nicht, und ich kenne einiges von Elton John”, sagte Bjarne.
“Ist auch keins von seinen Bekannteren. Aber es war in einem Film, in ‘GHOSTBUSTERS 2’.”
“Ah ja.”
Das Lied wurde von einem Musikstück mit vielen elektrischen Gitarren abgelöst, das etwas härter klang, aber der Text war unverkennbar:

Here we stand
Worlds apart, hearts broken in two, two, two
Sleepless nights
Losing ground, I'm reachin' for you, you, you6

“Okay, es reicht mal wieder”, legte Zach fest. “Cosilexa, Wiedergabe unterbrechen und Stelle merken. Wir kommen vielleicht darauf zurück. Irgendwann.”
“Verstanden”, gab der Computer zurück.
Die restlichen Teile mussten nun ohne musikalische Begleitung ihren Weg in den Lagerraum 15 finden.


1 – Electronic Light Orchestra: “Turn To Stone”
2 – Traditional: “The Bird’s Courting Song”
3 – Adriano Celentano: “Prisencolinensinainciusol”
4 – Röyksopp: “What Else Is There?”
5 – Elton John: “Love Is A Cannibal”
6 – Journey: “Separate Ways (Worlds Apart)”

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