Gedanken über Morgen

Die Luft im Pausenraum der ASTROCOHORS Solar Basis war schwer von einer Mischung aus Müdigkeit und Nachdenklichkeit. Durch die Fenster drang das gedämpfte Licht eines bewölkten Herbstnachmittags, und draußen schien die Welt endlich zur Ruhe gekommen zu sein, nachdem sie wochenlang von Naturkatastrophen heimgesucht worden war.

Mira Schneider saß auf einem der alten, aber bequemen Sofas und nippte an einer Tasse heißen Tees. Ihre Haare waren noch leicht feucht von der letzten Schicht, die sie draußen bei den Reparaturen an den Flutschutzanlagen verbracht hatte. Neben ihr saß Paul Richter, der müde auf einen Monitor starrte, auf dem Nachrichten aus aller Welt ausgestrahlt wurden.

Auch Anna Weidel und einige weitere Offiziere der Basis waren im Raum verteilt. Jeder war in Gedanken versunken, während die Nachrichten über die jüngsten politischen Entwicklungen auf der Erde liefen. Auf dem Bildschirm wurden Bilder von Demonstrationen, militärischen Aufmärschen und Reden neuer, zunehmend radikaler Regierungen gezeigt, die in den letzten Monaten in mehreren Ländern an die Macht gekommen waren.

„Es fühlt sich an, als würde die Welt jeden Tag ein Stück mehr auseinanderbrechen“, sagte Mira schließlich, ihre Stimme leise, aber klar. „Überall auf der Welt gewinnen extreme Gruppen an Einfluss, und die Menschen scheinen es entweder nicht zu bemerken oder es ist ihnen egal.“

Paul nickte langsam. „Ja, es ist, als ob die Lektionen der Vergangenheit völlig vergessen wurden. Statt sich auf die dringenden globalen Probleme wie den Klimawandel zu konzentrieren, wird wieder an alten Feindbildern festgehalten.“

Anna, die bislang still zugehört hatte, erhob sich und trat ans Fenster. Sie blickte hinaus auf die Bäume des Schwarzwalds, die sich im leichten Wind wiegten. „Es ist erschreckend, wie schnell sich das Blatt wenden kann“, sagte sie nachdenklich. „Einige dieser Regierungen haben schon damit begonnen, internationale Verträge zu brechen und ihre Militärs aufzurüsten. Das alles zu einer Zeit, wo wir uns eigentlich vereinen sollten, um den Planeten zu retten.“

Ein junger Offizier, der erst kürzlich zur Crew gestoßen war, meldete sich zögernd zu Wort. „Glaubt ihr, es gibt überhaupt noch Hoffnung? Ich meine, selbst hier in Europa, wo wir dachten, wir hätten aus der Geschichte gelernt, gibt es immer mehr Anzeichen von Radikalisierung.“

Anna drehte sich zu ihm um und lächelte schwach. „Ja, es ist schwer, optimistisch zu bleiben, wenn man all das sieht. Aber ich denke, wir dürfen nicht aufgeben. Gerade jetzt ist es wichtiger denn je, dass wir zusammenstehen – als Völker Europas und als Bewohner dieses Planeten.“

Mira lehnte sich zurück und starrte nachdenklich in ihre Teetasse. „Vielleicht müssen wir uns einfach daran erinnern, was uns verbindet. Die Menschheit hat schon Schlimmeres überstanden. Wir haben die Fähigkeit, Großes zu erreichen, wenn wir zusammenarbeiten. Schaut euch an, was wir hier tun. Diese Basis, ASTROCOHORS Solar, ist ein Symbol dafür, was möglich ist, wenn Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen zusammenkommen.“

„Und es ist nicht alles verloren“, ergänzte Paul. „Es gibt immer noch viele Menschen, die für eine bessere Zukunft kämpfen. Menschen, die den Wert von Frieden, Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit erkennen. Die sind vielleicht nicht so laut wie die Radikalen, aber sie sind da. Und sie werden weiterkämpfen.“

Einige der anderen Offiziere nickten zustimmend. Es herrschte eine stille Übereinkunft im Raum, dass sie Teil von etwas Größerem waren, einer Mission, die über ihre täglichen Aufgaben hinausging.

„Wir müssen die Hoffnung bewahren“, sagte Anna entschlossen. „Jeder von uns kann einen Unterschied machen. Und wenn wir uns nicht entmutigen lassen, wenn wir weiter unseren Beitrag leisten, dann gibt es immer noch eine Chance, dass wir das Blatt wenden können.“

Der Raum füllte sich mit einem Gefühl der Zuversicht, das, wenn auch vorsichtig, spürbar war. Die Stürme und Brände der vergangenen Wochen hatten ihnen viel abverlangt, aber sie hatten ihnen auch gezeigt, wie stark sie sein konnten, wenn sie zusammenarbeiteten.

„Lasst uns unsere Kräfte sammeln und weiterkämpfen“, sagte Mira schließlich. „Für die Zukunft der Erde und für alles, wofür wir hier stehen.“

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen hoben die Offiziere ihre Tassen und stießen wortlos miteinander an. Sie wussten, dass der Weg vor ihnen steinig sein würde, aber sie waren bereit, ihn gemeinsam zu gehen. Es mochte eine Zeit der Unsicherheit sein, aber in diesem Moment, in diesem kleinen Pausenraum inmitten des Schwarzwaldes, war die Hoffnung auf eine bessere Zukunft lebendig.

Sturzflut

Der Himmel hatte sich in eine düstere, brodelnde Masse verwandelt, die Blitze in unregelmäßigen Abständen auf den Schwarzwald herabzucken ließ. Ein unbarmherziger Sturm war über die Region gezogen, und die Wolken schienen ihren gesamten Zorn über der ASTROCOHORS Solar Basis auszuschütten. Das Donnern der Blitze wurde nur vom tosenden Regen übertroffen, der in Strömen auf die Erde niederprasselte.

Innerhalb der Basis herrschte hektische Betriebsamkeit. Alarmlichter blinkten rot, und die Lautsprecher gaben in regelmäßigen Abständen Warnmeldungen aus. Kommandantin Anna Weidel, die Feuerwehrkommandantin, stand zusammen mit den Technikern Mira Schneider und Paul Richter im Kontrollraum, während die Wassermassen drohten, das Gelände zu überfluten.

„Der Fluss ist schon über die Ufer getreten“, meldete einer der Offiziere am Monitor. „Die Wassersensoren zeigen, dass der Pegel weiter steigt. Wenn wir nichts unternehmen, wird das Wasser in weniger als einer Stunde die unteren Ebenen der Basis erreichen.“

„Verdammt“, fluchte Anna, die sich gerade erst von den Strapazen des Waldbrands erholt hatte. „Wir müssen die Schleusen schließen und die Pumpen aktivieren. Paul, kannst du das System hier überbrücken, um mehr Leistung herauszuholen?“

Paul nickte und eilte zu einem der Kontrollpulte, wo er begann, die Einstellungen der Pumpen zu optimieren. „Ich kann die Kapazität erhöhen, aber das wird nicht ausreichen, wenn der Pegel weiter steigt. Wir brauchen einen Plan B.“

Mira, die die letzten Wetterberichte auf einem anderen Monitor durchgesehen hatte, trat an die Gruppe heran. „Wir müssen das Wasser umleiten. Wenn wir es schaffen, den Flusslauf provisorisch zu ändern, könnten wir das Schlimmste abwenden.“

„Aber wie?“, fragte ein Offizier, der nervös auf den Bildschirm starrte, wo die Wassermassen in Echtzeit dargestellt wurden. „Wir haben keine Zeit, einen Damm zu bauen.“

Mira sah sich im Raum um und ihre Augen blieben auf den großen Frachtcontainern hängen, die am Rand des Basishofs gestapelt waren. „Diese Container“, sagte sie, „wir könnten sie als Barriere nutzen, um das Wasser umzuleiten. Es muss nicht perfekt sein, nur genug, um das Wasser vom Basiseingang wegzuführen.“

Anna dachte einen Moment nach und nickte dann entschlossen. „Das könnte funktionieren. Los, wir haben keine Zeit zu verlieren!“

Gemeinsam rannten sie hinaus in den peitschenden Regen. Der Wind heulte um die Gebäude, und die Sicht war durch den dichten Regen fast auf null reduziert. Trotzdem arbeiteten sie unermüdlich weiter. Paul und einige andere Offiziere begannen, die schweren Frachtcontainer mit einem Gabelstapler und purem Körpereinsatz zu bewegen, während Anna und Mira die besten Stellen für die provisorische Barriere identifizierten.

„Hier!“, rief Mira und deutete auf eine Stelle, wo das Wasser bereits über die Zufahrtsstraße floss. „Wenn wir die Container hier platzieren, können wir den Fluss seitlich ableiten, weg von der Basis.“

Der Plan war einfach, aber er musste schnell umgesetzt werden. Der Regen wurde immer stärker, und das Rauschen des Wassers war ohrenbetäubend. Die Feuerwehrleute und Techniker kämpften gegen die Naturgewalten an, ihre Kleidung durchnässt, ihre Hände von der Kälte taub. Doch sie ließen nicht nach.

Mit vereinten Kräften schoben sie die Container in Position und schichteten sie so auf, dass sie eine provisorische Mauer bildeten. Paul kletterte auf einen der Container und befestigte die oberen Schichten mit Stahlseilen, um sicherzustellen, dass sie dem Druck standhalten würden.

„Das muss reichen“, keuchte Paul, als er vom Container sprang. „Wir haben alles getan, was wir konnten.“

Anna nickte und sah besorgt zu, wie das Wasser gegen die Containerwand drückte. Die Barriere hielt – zumindest vorerst. Doch es war unklar, ob sie stark genug war, um den weiterhin steigenden Wassermassen standzuhalten.

„Jetzt bleibt uns nur noch, die Pumpen auf Hochtouren laufen zu lassen und zu hoffen, dass der Regen bald nachlässt“, sagte Anna und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. Ihre Erschöpfung war allen ins Gesicht geschrieben, doch es gab keinen Raum für Aufgeben.

Sie eilten zurück in die Basis, wo die Pumpen mit voller Leistung arbeiteten. Die Monitore zeigten, dass das Wasser bereits an mehreren Stellen gefährlich nahe an die unteren Ebenen herangekommen war. Doch die Barriere hielt das Schlimmste ab, und das Wasser, das noch eindrang, konnte von den Pumpen bewältigt werden.

Im Kontrollraum verfolgten sie gespannt die Pegelanzeigen, während die Zeit quälend langsam verstrich. Jede Minute fühlte sich wie eine Ewigkeit an, aber allmählich schien der Regen nachzulassen. Die Wasserstände stabilisierten sich und begannen schließlich, ganz allmählich, zu sinken.

„Wir haben es geschafft“, flüsterte Mira, als sie den Rückgang der Pegel bemerkte.

„Ja“, sagte Anna mit einem schwachen Lächeln, „aber das war knapp.“

Paul lehnte sich erschöpft gegen die Wand und ließ sich auf den Boden sinken. „Das war der Wahnsinn. Erst das Feuer, jetzt das Wasser… Was kommt als nächstes? Ein Erdbeben?“

Mira lachte leise und setzte sich neben ihn. „Ich hoffe, das bleibt uns erspart.“

Die Anspannung wich langsam aus ihren Körpern, und die Erschöpfung machte sich breit. Sie hatten die Basis gerettet, aber der Preis war hoch gewesen. Jeder von ihnen war bis an seine Grenzen gegangen, körperlich und geistig.

Anna sah aus dem Fenster auf den durchweichten Wald hinaus. Die Bäume standen unter dem Gewicht des Wassers schwer da, doch der Sturm hatte nachgelassen. Für heute waren sie sicher.

„Wir müssen die Schäden begutachten und die Barriere verstärken, falls der Regen wieder einsetzt“, sagte Anna schließlich. „Aber zuerst… sollten wir uns ausruhen.“

Die anderen nickten zustimmend. Sie hatten alles getan, was in ihrer Macht stand, um die Basis zu schützen. Und obwohl sie wüssten, dass die Herausforderungen nicht weniger werden würden, hatten sie zumindest heute bewiesen, dass sie ihnen gewachsen waren.

Der Sturm war vorüber, und während die Wolken langsam aufrissen und das Licht des frühen Morgens hindurchdrang, legte sich eine seltsame Ruhe über die ASTROCOHORS Solar Basis. Der Kampf gegen die Natur war vorüber – zumindest für den Moment.

Glut und Asche

Der Himmel über dem Schwarzwald war von einem unheilvollen, orangefarbenen Schimmer durchzogen. Aschepartikel schwebten in der Luft, und der beißende Geruch von verbranntem Holz drang durch die Atemmasken der Feuerwehrleute, die in einer Linie standen und ihre Schläuche auf die letzten Glutnester richteten. Es war das Ende eines langen, erbarmungslosen Sommers, und die Dürre hatte den Wald in eine einzige trockene Zündschnur verwandelt.

Das Feuer hatte seit Tagen gewütet, angefacht durch die anhaltende Trockenheit und die gelegentlichen heißen Winde, die aus dem Süden wehten. Die Flammen waren bis an den Rand der ASTROCOHORS Solar Basis vorgedrungen, bevor die Feuerwehr und die Techniker der Basis sie zurückdrängen konnten. Doch heute sollte es endlich enden.

Inmitten der Feuerwehrleute stand Kommandantin Anna Weidel, die ihre Crew durch die letzten schwierigen Stunden geführt hatte. Sie war eine erfahrene Brandbekämpferin, aber selbst sie war von der Heftigkeit dieses Feuers überrascht worden. Ihr Gesicht war rußverschmiert, und ihre Augen waren müde, aber entschlossen.

„Wir müssen die letzten Flammen löschen, bevor sie wieder auflodern“, rief sie ihren Leuten zu und deutete auf eine kleine Anhöhe, wo noch immer Flammenzungen an den Bäumen leckten. „Wenn wir das nicht in den nächsten Stunden schaffen, riskieren wir, dass der Wind das Feuer erneut entfacht.“

Ihr Team, erschöpft und verschwitzt, nickte stumm und setzte die Schläuche erneut an. Doch das Wasser reichte nicht aus, um die Flammen vollständig zu ersticken. Es war, als würde der Wald das Feuer tief in sich hineinsaugen und es immer wieder hervorbringen.

„Das Wasser allein wird nicht reichen“, murmelte einer der Feuerwehrleute. „Es verdampft, bevor es die Wurzeln erreicht.“

Anna dachte angestrengt nach, während sie die zischenden Flammen beobachtete. Plötzlich kam ihr eine Idee. „Wir brauchen eine Barriere“, sagte sie laut. „Etwas, das dem Feuer den Sauerstoff entzieht und die Wurzeln erreicht.“

„Aber wie?“, fragte einer der Männer. „Alles hier ist trocken, wir können doch nicht noch mehr abbrennen, um eine Brandschneise zu legen.“

Anna sah sich um und entdeckte am Rand eines kleinen Baches, der fast ausgetrocknet war, einen Haufen feuchten Lehm. „Den Lehm“, sagte sie und zeigte darauf. „Wir bedecken die Glutnester mit Lehm und ersticken das Feuer direkt an der Basis. Es wird die Hitze dämmen und verhindern, dass sich das Feuer weiter ausbreitet.“

Das Team zögerte kurz, dann machten sie sich an die Arbeit. Sie sammelten eilig den feuchten Lehm und warfen ihn auf die noch lodernden Stellen. Es war ein mühsamer Prozess, aber langsam, fast unmerklich, begannen die Flammen zu erlöschen.

Der Lehm legte sich wie eine schwere Decke über die Glut, und der Rauch wurde weniger. Die Feuerwehrleute schaufelten, gruben und schmierten, bis die letzten roten Glutpunkte unter einer dicken Lehmschicht verschwanden. Schweiß rann über ihre Gesichter, und ihre Muskeln schmerzten, aber sie arbeiteten unermüdlich weiter, getrieben von dem Willen, das Feuer endgültig zu besiegen.

Nach Stunden harter Arbeit trat endlich Stille ein. Der Wald, der vor kurzem noch von der Hitze und dem Knacken der Flammen erfüllt war, lag nun still und rauchte. Die Feuerwehrleute standen keuchend da, zu erschöpft, um zu jubeln, aber in ihren Augen lag Erleichterung.

Anna ließ sich auf einen Felsen sinken und zog ihre Maske ab. „Gute Arbeit, Leute“, sagte sie heiser. „Wir haben es geschafft. Die Basis ist sicher.“

Ein junger Feuerwehrmann, der neben ihr saß, ließ seinen Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen. „Ich glaube, ich werde nie wieder so heiß duschen können, ohne an dieses Feuer zu denken.“

Anna lachte kurz auf, aber auch sie fühlte die Erschöpfung in jeder Faser ihres Körpers. „Wir haben uns die Pause verdient. Morgen wird der Waldbrand offiziell für gelöscht erklärt, aber heute… heute ruhen wir.“

Die Sonne begann am Horizont zu sinken, und die Temperaturen fielen langsam, aber die Hitze der vergangenen Tage hing immer noch in der Luft. Die Feuerwehrleute setzten sich in kleinen Gruppen zusammen, tranken Wasser und teilten Proviant, während sie in die Ferne starrten, wo der Wald in dichten Nebel gehüllt war.

„Es ist verrückt“, sagte einer der älteren Feuerwehrmänner schließlich und brach das Schweigen. „Dass wir jetzt jedes Jahr mit solchen Bränden rechnen müssen. Der Schwarzwald war früher so kühl und feucht…“

Anna nickte. „Ja, das ist er nicht mehr. Die Welt verändert sich, und wir müssen uns mit ihr verändern. Aber zumindest heute… heute haben wir gewonnen.“

Die letzten Sonnenstrahlen tauchten den Wald in ein warmes, goldenes Licht. Für einen Moment war die Szenerie fast friedlich, als ob der Wald selbst eine Pause einlegte, um sich zu erholen. Aber Anna wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der nächste Brand ausbrach – hier oder anderswo. Doch für diesen Moment zählte nur, dass sie und ihr Team erfolgreich gewesen waren.

Mit dieser Erkenntnis lehnte sich Anna zurück und ließ sich von der Müdigkeit übermannen, während der Wald langsam zur Ruhe kam, eingehüllt in die lehmige Stille eines harten, aber gewonnenen Kampfes.

Heiße Luft im Schwarzwald

Die Sonne brannte erbarmungslos über den dichten Wäldern des Schwarzwaldes. Selbst hier, in einem der kältesten und waldreichsten Teile Deutschlands, war die Temperatur auf ein unangenehmes Niveau angestiegen. Die Bäume standen still, kein Lüftchen wehte, als hätte die Natur selbst den Atem angehalten. Auf dem Gelände der ASTROCOHORS Solar Basis schimmerte der Asphalt vor Hitze, und selbst die allgegenwärtigen Nadelbäume schienen ihre Nadeln hängen zu lassen.

In einem der unterirdischen Wartungsschächte der Basis kniete die Technikerin Mira Schneider vor einem alten Klimagerät. Ihre Stirn war von Schweißperlen bedeckt, und ihr blondes Haar klebte an ihrem Gesicht. Neben ihr lag eine Vielzahl von Werkzeugen verstreut, während sie versuchte, den alten Ventilator wieder zum Laufen zu bringen. Ihr Kollege, Paul „Paule“ Richter, stand neben ihr und wischte sich mit einem schmutzigen Lappen den Nacken ab.

„Das ist doch unglaublich“, murmelte Mira, während sie ein rostiges Schraubgewinde lockerte. „Wir sitzen hier in einer Hightech-Basis, die für interplanetare Missionen gebaut wurde, und müssen uns mit Klimaanlagen herumschlagen, die aussehen, als kämen sie direkt aus den Achtzigern.“

Paul lachte trocken. „Tja, das Budget fließt wohl eher in Raketen als in Raumklima. Immerhin, wer braucht schon frische Luft, wenn man den Mars erreichen kann?“ Er schüttelte den Kopf und kramte in seiner Werkzeugtasche.

„Es ist ja nicht so, als hätten wir diesen heißen Sommer nicht kommen sehen“, sagte Mira und richtete sich kurz auf, um ihren schmerzenden Rücken zu strecken. „Die Wissenschaftler warnen seit Jahrzehnten vor dem Klimawandel, aber nein, wir haben ja Wichtigeres zu tun, wie zum Beispiel…“ Sie imitierte mit sarkastischem Unterton: „Auf X mit Musk und Trump zu diskutieren.“

Paul prustete los. „Hast du das Gespräch gesehen? Diese beiden… Ich frage mich wirklich, ob sie das mit Absicht machen oder ob sie einfach so… unfassbar dämlich sind.“

„Oh ja, habe ich“, erwiderte Mira, während sie weiter an der Klimaanlage arbeitete. „Musk hat Trump ernsthaft gefragt, ob er die NASA übernehmen will, weil er angeblich die ‚größte Weltraumbehörde aller Zeiten‘ aufbauen könnte. Als ob wir das brauchen, nachdem er den öffentlichen Diskurs auf X zu einem Haufen Hetze und Unsinn gemacht hat.“

Paul nickte zustimmend. „Das Ganze ist ein Desaster. Es ist wirklich erschreckend, wie sehr sich Menschen von diesen Typen beeinflussen lassen. Wir könnten uns um echte Probleme kümmern, aber stattdessen fluten die Leute die sozialen Medien mit Memes und Unsinn.“

Mira seufzte und drehte den letzten Bolzen fest. „Ich frage mich manchmal, ob die Menschheit überhaupt noch zu retten ist. Wir haben die Technologie, um interplanetare Reisen zu ermöglichen, aber gleichzeitig ignorieren wir die Schäden, die wir unserem eigenen Planeten zufügen. Es ist, als ob wir den Ast absägen, auf dem wir sitzen.“

Paul holte einen neuen Filter aus seiner Tasche und übergab ihn Mira. „Und das Schlimmste daran ist, dass viele Menschen einfach aufgeben. Sie denken, es ist zu spät, oder sie glauben einfach nicht daran. Wie oft habe ich schon gehört, dass das alles nur Panikmache sei…“

Mira setzte den neuen Filter ein und schraubte die Abdeckung der Klimaanlage wieder zu. „Ich weiß, was du meinst. Aber wir dürfen nicht aufgeben. Irgendjemand muss sich schließlich um diese alten Kisten kümmern, damit wir hier unten nicht vor Hitze kollabieren.“

Paul lachte. „Ja, und wenn wir das nicht schaffen, können wir vielleicht Trump fragen, ob er uns einen Platz in seinem Space Force One Shuttle reserviert. Da gibt es bestimmt eine ordentliche Klimaanlage.“

Mira schloss den Werkzeugkasten und stand auf. „Vielleicht. Aber bis dahin sorge ich lieber dafür, dass diese Basis hier weiterhin funktionsfähig bleibt. Wenn die Welt draußen schon dem Bach runtergeht, müssen wir wenigstens hier drin kühlen Kopf bewahren.“

Paul nickte ernst und reichte Mira eine Wasserflasche. „Du hast recht. Hier drin müssen wir uns um unser eigenes kleines Universum kümmern. Und vielleicht, nur vielleicht, können wir mit unserer Arbeit einen kleinen Beitrag leisten, um das größere Bild zu verbessern.“

Die beiden Techniker stiegen aus dem Wartungsschacht und spürten, wie ihnen die frischere Luft aus der gerade reparierten Klimaanlage entgegenblies. Es war keine dramatische Veränderung, aber es war ein kleiner Sieg inmitten eines schwelenden, überhitzten Planeten.

„Ein kleiner Schritt für uns“, murmelte Mira und lächelte.

„Aber ein großer Schritt für unsere Schwitzerei“, ergänzte Paul grinsend. Zusammen machten sie sich auf den Weg zurück zur Leitstelle, bereit, sich den nächsten Herausforderungen zu stellen – sowohl im Inneren der Basis als auch außerhalb, in einer Welt, die mehr als je zuvor dringend abkühlen musste.

Der CLUB von ASTROCOHORS

Zach Urity stürmte in die Computerzentrale der Abteilung 2 der BASIS ATLANTIS und wirkte relativ aufgeregt. Max Tronic blickte nur kurz von seinem Bildschirm hoch. In letzter Zeit war so viel passiert, da brachte der Computertechniker einfach nicht mehr die Energie auf, sich selbst aufzuregen, nur weil Zach sich aufregte. Er wartete lieber ab, ob sich das lohnte. Dann konnte er sich noch immer aufregen.

„Hast Du das Neueste gehört?“, wollte Zach wissen.
„Soylent Green ist Menschenfleisch?“, gab Max zurück.
„Was? Nein – das neue unterirdische Gebäude, weißt Du, was das ist?“
„Nein, aber so wie Du klingst, wirst Du mir das sicher gleich sagen.“
„Hast Du schon mal was vom ASTROCOHORS CLUB gehört?“
„Ja, das ist das Rekrutierungsprogramm für Terraner. Wurde allerdings aufgebaut, nachdem wir schon rekrutiert waren. War nicht unser Professor Hoaxley am Aufbau beteiligt?“
„Ja, richtig!“ Zach erhob den Finger. „Und weißt Du auch, wo der seinen Sitz hat?“
„Der Club? War das nicht in Island? Aber… der Club hat doch Niederlassungen überall auf der Welt, damit man immer vor Ort ist.“
„Jetzt nicht mehr!“
Max kräuselte die Stirn. „Nicht mehr? Was ist los?“
„Sie ziehen alles zusammen“, antwortete Zach und deutete aus dem Fenster. Man konnte den Hügel sehen, in dem die neuen Anlagen untergebracht waren, an denen die letzten Wochen gearbeitet worden war. „Da drüber ist das neue Hauptquartier vom Club! Sie nennen es… Projekt Ypsilon.“
„Ypsilon?“
ASTROCOHORS CLUB – Ypsilon, um genau zu sein.“
„Aber was steckt dahinter? Warum tun die das?“
„Genauso wie Stück für Stück die Basen rund um den Globus aufgelöst werden“, fuhr Max fort. „Alles wird hier zusammengezogen, die ATLANTIS und hier, das sollen die letzten Zufluchtsorte werden.“
„Warum ausgerechnet hier?“
Zach grinste. „Du bist doch sonst so schlau“, meinte er. „Denk mal nach…“
Max grübelte. Es dauerte einen Moment, doch dann kam ihm eine Erkenntnis. Er hatte da neulich eine Grafik gesehen. Eine Projektion des Klimawandels. „Du meinst, weil wir hier die Auswirkungen des Klimawandels hier nicht ganz so katastrophal sein werden“, sprach er es aus, „wie anderswo?“
„Das denke ich. Sie sagen es nicht, aber das liegt doch auf der Hand.“
Max tippte auf der Tastatur seines Computer herum. „Mal sehen“, brummte er vor sich hin. Er rief verschiedene Seiten auf, die die Abteilung 2 der ATLANTIS beschrieben. Schließlich stieß er auf das Projekt Ypsilon.
„Ich muss Dir zustimmen“, sagte er dann, „es steht zwar nicht klar da, aber zwischen den Zeilen… hier… laut diesem Dokument soll das ominöse Projekt Ypsilon dafür sorgen, dass die Kräfte gebündelt werden, um den Gefahren, die uns im Moment drohen, entgegenzuwirken. Ich lese hier auch, dass es noch eine Außenabteilung gibt… ein Kloster in Portugal, das eine große Bibliothek beherbergt. Und ein Mitarbeiter des Clubs ist wohl gerade dort und durchforstet das Internet nach Menschen, die sich besonders engagieren, in gesellschaftlichen und kulturellen Dingen.“
„Das gefällt mir eigentlich nicht“, stellte Zach fest.
„Warum?“, fragte Max.
„Wenn die Leitung von ASTROCOHORS SOLAR beschlossen hat, alles zusammenzuziehen, dann haben sie doch schon aufgegeben, dass die Menschheit irgendwelche Ziele bei der Bekämpfung des Klimawandels erreicht. Es geht nur noch darum, einen guten Platz zu ergattern und sich einzuigeln. Ist Dir das nicht aufgefallen?“
„Was sollte mir aufgefallen sein?“
„Was hier sonst noch gebaut wurde! Die Zisternen, die Unmengen an Wasser speichern können, damit wir unabhängig bleiben. Das ganze Material, das uns pausenlos geliefert wird. Wir lagern Lebensmittel ein und produzieren unser eigenes Brot. Kontakt zur Außenwelt besteht eigentlich kaum noch.“
Max kratzte sich am Kopf. „Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich das gut finde. Ich meine, die da draußen sind doch alle durchgeknallt. Reden davon, dass die Pandemie vorbei ist, dabei rollt gerade eine gewaltige Infektionswelle durch die Gesellschaft. Wie kurzsichtig kann man sein? Insofern gefällt es mir hier ganz gut.“
„Du kannst das einfach so sagen.“
„Was meinst Du?“
„Hast Du unsere Freunde in letzter Zeit mal beobachtet? Die wirken alle ziemlich niedergeschlagen. Sie waren zwar gut beschäftigt in letzter Zeit, weil es viel zu tun gab, aber glücklich sind sie nicht. Besonders Mac. Ich habe das Gefühl, er ist sehr einsam.“
„Hm“, machte Max, „aber vielleicht, wenn der Europa-Park wieder aufmacht, fühlt er sich besser. Warten wir mal ab.“
„Ich wünschte, ich hätte Dein Vertrauen in die Zukunft.“
„Wie sagt Goethe? ‚Ein Tag bringt den anderen, und beim Schicksal steht das Zukünftige.'“

Die Einschläge kommen näher…

Wie soll das nur funktionieren? Die Gedanken, die Max Tronic durch den Kopf schossen, waren nicht nur dunkel, sie waren mehr als dunkel. Die letzte Zeit war mehr passiert, als ihm lieb war. Der Konzern, dem das Areal rund um die zweite Abteilung der Bodenstation ATLANTIS gehörte, hatte ihnen drei Mal die Energie abgedreht, weil er neue Konditionen der Vermietung aushandeln wollte. Dabei war klar zu sehen, dass es nicht wirklich darum ging. Die Anlage aufrecht zu erhalten, war den Verantwortlichen einfach zu mühsam. Sie hofften, die merkwürdigen Mieter aus dem All auf diese Weise loszuwerden.

Das, so vermutete Max, war ein Grund, warum alles auf der Erde auf einen Punkt zurückgezogen wurde. Ein Hauptquartier, das war’s. Alle Abteilungen von ASTROCOHORS, die noch verblieben waren, sollten hier unterkommen. Irgendwann würde man auch die Abteilungen im Nebengebäude von HEXAPHYRON aufgeben. Oder aber dem Konzern abkaufen. Das würde der sich allerdings teuer bezahlen lassen.

Sie waren fleißig am Aufbauen. Die Anlage im Hügel unterhalb der Burg wurde runderneuert, konnte man beinahe sagen. Und der Datenverkehr nahm zu. War das eine gute Nachricht? Max wusste es nicht. Es hatte so gut angefangen. Lasst uns alle zusammenstehen, das war die letzte Parole, die das Sonnensystem noch von außen erreicht hatte. Doch nun war man wild entschlossen, etwas anderes zu tun. Denn Hilfe von außen konnte man in absehbarer Zeit nicht erwarten. Das Sonnensystem würde sich selbst helfen müssen. DAS SCHICKSAL DER ZUKUNFT stand auf dem Spiel…

Schall und Rauch

Commander Madeleine Tornquist betrat die Außenstelle der Basis ATLANTIS mit einer gewissen Vorfreude. Die Bodenstation auf der Erde der Raumflotte ASTROCOHORS SOLAR war zwar kein Schloss, aber dennoch eine ihrer Lieblingsstationen. Der Geruch von Schmieröl und das Brummen von Maschinen erfüllten die Luft, während sie die Kontrollräume betrat, in denen ihre Mitarbeiter eifrig vor ihren Monitoren saßen. Sie wurde von zwei Technikern begrüßt, die sie zu der Außenstelle begleiteten, die unter einer alten Ruine im Wald untergebracht war. Zach Urity, der Sicherheitsoffizier, und Max Tronic, der Techniker mit dem Visor, führten sie herum. Die Außenstelle war klein, aber gemütlich eingerichtet, mit allem, was man für den täglichen Betrieb benötigte. Commander Tornquist war beeindruckt. Gleichwohl hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas anders war.

„Wie läuft es hier?“ fragte sie.

Zach und Max tauschten einen nervösen Blick aus. „Nun ja, Commander“, begann Max zögernd, „wir haben einige technische Probleme, die dringend behoben werden müssen. Die Energieversorgung ist instabil und das Datennetzwerk ist veraltet. Wir arbeiten bereits daran, aber es wird noch einige Zeit dauern, bis wir alles repariert haben.“

Commander Tornquist seufzte. „Das hört sich nicht gut an. Was können wir tun, um zu helfen?“

„Wenn wir eine Budgeterhöhung erhalten würden, könnten wir schneller arbeiten und alle Reparaturen durchführen“, schlug Zach vor.

„Das ist eine gute Idee“, sagte Commander Tornquist. „Ich werde mich darum kümmern.“

Max und Zach seufzten erleichtert auf.

„Wisst ihr, ich frage mich, warum diese Außenstelle noch keinen Namen hat“, sagte Commander Tornquist plötzlich und sah sich um.

„Ja, das ist uns auch aufgefallen“, stimmte Max zu.

„Wie wäre es mit dem Namen ‚Himmelblau‘?“ fragte Zach.

„Himmelblau?“ wiederholte Commander Tornquist skeptisch.

„Ja“, sagte Zach. „Die Farbe erinnert uns an das Logo der Raumflotte ASTROCOHORS SOLAR.“

„Ich sehe“, sagte Commander Tornquist und nickte. „Wie wäre es mit ‚Waldesruh‘?“

„Waldesruh?“ fragte Max nachdenklich.

„Ja, es ist eine schöne Umgebung hier im Wald und die Ruine, unter der die Außenstelle liegt, gibt dem Namen eine gewisse Eleganz“, sagte Commander Tornquist.

„Wie wäre es mit ‚Stromberg‘?“ fragte Zach.

„Stromberg?“ wiederholte Commander Tornquist überrascht.

„Ja, nach dem berühmten schwedischen Schauspieler“, sagte Zach.

Commander Tornquist lachte. „Ich glaube, wir sollten noch ein paar weitere Namen in Betracht ziehen, bevor wir uns entscheiden.“

Die drei überlegten und kamen auf eine Vielzahl von Namen, aber keiner schien perfekt zu passen. Nach einer Weile gab Commander Tornquist auf.

„Nun, es scheint, als würden wir keine Lösung finden“, sagte sie bedauernd. „Aber trotzdem bin ich froh, dass diese Außenstelle existiert. Ihr leistet hier großartige Arbeit, und ich bin stolz auf euch.“

Max und Zach lächelten bei diesen Worten und bedankten sich bei ihr.

„Wenn es etwas gibt, das wir tun können, um euch bei der Arbeit zu helfen, lasst es mich wissen“, fügte Commander Tornquist hinzu, während sie sich zum Gehen wandte.

„Vielen Dank, Commander“, sagte Zach. „Wir werden uns auf jeden Fall melden.“

Als Commander Tornquist die Außenstelle verließ, konnte sie nicht anders, als sich zu fragen, warum sie so viel Zeit damit verbracht hatten, über einen Namen nachzudenken. Die Wichtigkeit der Arbeit, die hier geleistet wurde, überwog alles andere. Trotzdem war es eine unterhaltsame und fröhliche Unterhaltung gewesen, die sie mit Max und Zach geführt hatte.

Als sie sich auf den Weg zurück zum Hauptgebäude machte, war Commander Tornquist dankbar für die Möglichkeit, mit ihren Mitarbeitern auf dieser Ebene interagieren zu können. Es war ein erfrischender Wechsel von den administrativen Aufgaben, die sie normalerweise erledigen musste.

In den nächsten Wochen würde Commander Tornquist daran arbeiten, das Budget für die Außenstelle zu erhöhen und die notwendigen Reparaturen durchzuführen. Obwohl die Namensfindung der Außenstelle nicht zu einem Ergebnis geführt hatte, war Commander Tornquist stolz darauf, wie ihre Mitarbeiter diese Herausforderungen gemeistert hatten. Es war ein Zeichen dafür, wie stark das Team der Raumflotte ASTROCOHORS SOLAR war und wie sie als Einheit zusammenarbeiten konnten.

Als sie auf dem Heimweg war, dachte Commander Tornquist noch einmal über die Gespräche mit Max und Zach nach. Sie lächelte bei dem Gedanken an die vielen Namen, die sie vorgeschlagen hatten, und wusste, dass diese kleinen Momente der Gemeinschaft und des Humors das Leben auf der Basis ATLANTIS noch besser gemacht hatten.

Der Ippotis-Effekt | ACSOLAR #318

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, das Sonnensystem ist immer noch in der Kristallsphäre gefangen und die neue solare Abteilung von ASTROCOHORS muss sich immer noch etablieren. Commander Jeff Holland ist in die BASIS ATLANTIS zurückgekehrt, um den Zentralrechner A.R.N.O.L.D. zu beauftragen, eine Liste aller ungeklärten Fragen zu erstellen. Damit erlebt er eine Tour durch die vergangenen Jahre.

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Aller Dinge Anfang ist klein

Das Gebäude hatte eine gewagte Architektur, die jetzt, da es über dreißig Jahre alt war, immer noch ihresgleichen suchte. Die Front des Haupteingangs wurde von einer großen Glasfront eingenommen. Kam man durch den Haupteingang rein, stand man mitten in einem offenen Raum, der sich bis zur aus Glas bestehenden Decke erhob. Die einzelnen Stockwerke bildeten Galerien, von denen aus man nach unten blicken konnte. Es war ziemlich beeindruckend. Jemand hatte sich damals schon große Gedanken gemacht, als die BASIS ATLANTIS aufgebaut wurde, Stück für Stück.

Commander Madeleine Tornquist stand an der obersten Galerie, hatte sich aufs Geländer gelehnt und sah nach unten. Dafür war sie nun schon eine Woche verantwortlich. Für das alles. Sie war die neue Kommandantin der ATLANTIS. Sie schüttelte ihren Kopf, so dass die nackenlangen, dunkelblonden Haare hin- und herflogen. Die Zeremonie war ja ziemlich unspektakulär gewesen, auch wenn das so nicht geplant war. Admiral McCloud sollte den Wechsel verkünden. Commander Natascha Jung, ihre Vorgängerin, war zu dem Zeitpunkt schon auf dem Weg aus dem Sonnensystem heraus. Sie hatte sich an Bord von einem der Schiffe befunden, die versuchten, die Blockade zu überwinden, bevor… das Ding da… aufgebaut wurde. Seither hatte man nichts mehr von den Schiffen gehört. Tornquist hoffte, dass alles gutgegangen war. Die BOURGOGNE, das hatten die Anzeigen gezeigt, war beim Versuch, in den Raumtunnel einzudringen, plötzlich in den Normalraum zurückgeschleudert worden. Seither war der Kontakt abgebrochen. Was mit den anderen Schiffen war, wusste niemand. Der Kontakt nach außerhalb des Sonnensystems war abgebrochen.

Die Galerie im Hauptgebäude der BASIS ATLANTIS. Bild: Storyblocks

Was fast noch wichtiger war: Mit diesem Tag, dem Jubiläumstag der Organisation ASTROCOHORS, war die BASIS ATLANTIS aus den Klauen des Konzern Cúyel befreit. Es war ein kostspieliger Befreiungsschlag gewesen, aber dafür gehörte die Infrastruktur jetzt endgültig der Flotte.
„Aber Commander!“, hörte Madeleine eine männliche Stimme. „So tief in Gedanken?“
Die Kommandantin drehte sich um. Admiral McCloud hatte sich ihr unbemerkt genähert. Zumindest hatte sie ihn nicht bemerkt, aber sie war tatsächlich tief in Gedanken gewesen. McCloud hätte vermutlich Schuhe zum Stepptanzen tragen können und sich mit Glocken- und Schalmeienklängen nähern können, sie hätte ihn nicht wahrgenommen.

Commander Madeleine Tornquist. Bild: PHAN.PRO

„Ich muss meine Gedanken sortieren“, erklärte die Schwedin, „wollen Sie mir Gesellschaft leisten?“
„Ich bin ein alter Verwaltungsbeamter“, antwortete McCloud, „im Sortieren bin ich groß. Was kann ich tun?“
„Seit dem Jubiläumstag bekomme ich jeden Tag immer noch schlechtere Nachrichten auf den Schreibtisch“, meinte sie. „Ich weiß nicht, wie wir reagieren sollen.“
„Es ist natürlich eine… hm“ Der Admiral brach den Satz ab. Er suchte nach einem Wort. Dann setzte er erneut an: „Es tut mir leid, tatsächlich finde ich kein Wort, das der Situation angemessen ist. Der Krieg, der zwischen Anarthia und Almostea ausgebrochen ist…“
„Ausgebrochen?“, fiel ihm Tornquist ins Wort. „Finden Sie das nicht ein bisschen verharmlosend? Nennen wir die Dinge doch beim Namen! Der Angriff durch die Streitkräfte von Anarthia war nicht provoziert worden. Und was tun unsere Politiker in der Solaren Versammlung? Reden schwingen!“
McCloud zuckte mit den Achseln. „Jeder tut das, was er am Besten kann“, meinte er. „Ich verstehe Ihre Frustration, aber leider ist auch Anarthia Mitglied in der Solaren Versammlung. Auf diesem Parkett wird es rutschig. Die Leute verachten die Politik und wollen damit nichts zu tun haben. Aber wenn wir nicht sehr vorsichtig sein, wird das den Feinden der Demokratie weiteren Vorschub leisten.“
„Das macht doch der Ippotis-Effekt auch schon!“, schnaubte Madeleine wütend. „Haben Sie die Geschichten mitbekommen?“
„Einige, ja“, bestätigte der Admiral. „Durch die Unterbrechung der Feierlichkeit fand die Verkündung, dass Sie den Posten der Kommandantin übernehmen nicht so viel Aufmerksamkeit. Sie wissen doch, wie die Presseorgane aus der Ippotis-Gruppe sind. Die blasen alles zu einer Verschwörungserzählung auf.“
„Ja, und schnüffeln mir nach, besonders dieser… Wie heißt der Tintenpisser noch gleich?“
„Paladin Snodbucket. Und ‚Tintenpisser‘ haben Sie von mir!“
„Ja genau, welche Eltern, die bei klarem Verstand sind, geben ihrem Kind den Vornamen ‚Paladin‘? Kein Wunder, dass der so komisch drauf ist. Dass sich auf der anderen Seite seiner erfundenen Geschichtchen aber lebende Personen befinden, das scheint dem Milchgesicht herzlich egal zu sein, oder?“
„Er hat kein Gewissen, das ist sicher. Ich kann Ihnen aber sicher sagen, dass er sich auf Sie eingeschossen hat, Commander, hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun. An Commander Jung hat er sich nie abgearbeitet. Sie sind leider in die Schusslinie geraten wegen dieser ungewöhnlichen Zeiten.“
Tornquist sah den Admiral wütend an. „Davon kann ich mir viel kaufen“, zischte sie. „Ich soll hier den Laden unter Kontrolle bringen, da kann ich es nicht brauchen, wenn so ein kleinkariertes Handtuch in meinem Privatleben herumschnüffelt, um die Farbe meines Schlüpfers herauszubekommen.“
„Soll ich Ihnen was sagen?“, meinte McCloud. „Dieser Satz ist erschreckend, denn obwohl er übertrieben ist, ist er doch auch gleichzeitig sehr realistisch. Snodbucket ist noch nicht so weit vorgedrungen, aber zuzutrauen ist es ihm.“
„Sagen Sie’s frei heraus: Es ist eine Frage der Zeit, bis er auf dem Niveau angekommen ist… nein, auf dem Niveau ist er schon längst angekommen, aber es ist eine Frage der Zeit, bis er das an mir auslässt.“
Admiral McCloud nickte stumm. Dann sagte er langsam: „Hm, Commander, sind Sie geistig in der Lage, noch etwas auszuhalten?“
„Was? Noch mehr schlechte Nachrichten?“
„Wie man’s nimmt. Auf eine Weise schon.“
„Und zwar?“
„Wissen Sie, wie oft wir uns umstrukturiert haben in letzter Zeit? Jetzt, da die Blockade so nachhaltig ist, müssen wir das schon wieder tun. Und wir werden uns wohl zusammenziehen müssen.“
„Zusammenziehen? Was soll das denn heißen?“
„Wir müssen alle Einrichtungen hier auf Terra aufgeben und zur ATLANTIS verlegen.“
„WAS?“
McCloud legte den Finger auf die Lippen. „Psssst!“, machte er. „Das ist noch nicht ganz offiziell raus, aber ich sehe nicht, was das noch aufhalten sollte. Wir werden die ATLANTIS und ihre Zweigstelle ausbauen, dafür aber alle anderen Außenstellen abbauen. Auch der ASTROCOHORS CLUB wird zurück hierher kommen.“
„Dann haben die Bleistiftschwinger gewonnen“, echauffierte sich Madeleine. „Das ist es doch, was sie seit dreißig Jahren wollen! Alle Außenstellen sollen dicht gemacht werden! Am besten wäre es sowieso, wenn ASTROCOHORS privatisiert wird und große Rendite abwirft. Naja, dann können wir zumindest Söldner nach Almostea schicken.“
„Commander!“, tadelte der Admiral.
„Was denn?“, kam es zurück. „Die Solare Versammlung bindet uns die Hände. Machen wir den großen Ausverkauf! Moral auf dem Grabbeltisch, das ist es doch, was die Konzernbosse wollen.“
„Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, wie sehr ich Sie verstehen kann. Aber wir müssen weitermachen. Also, halten Sie diese Neuigkeiten bitte noch zurück. Die Admiralität wird es zu gegebener Zeit kommunizieren.“
„Wann können wir damit rechnen?“
„Ich denke, zum Jahresende.“
„Na, das wird ja ’n Silvester werden. Tolle Stimmung.“
„Ja. Und für noch mehr Schlagzeilen sorgen.“